Was bedeutet „Stadtteilheimatpflege“?
Ein Stadtteilheimatpfleger (bzw. eine Stadtteilheimatpflegerin) kümmert sich um das kulturelle Gedächtnis eines Quartiers: er sammelt, ordnet und erklärt lokale Geschichte, achtet auf historische Spuren im Straßenbild, vermittelt zwischen Bürgerschaft, Vereinen und Verwaltung und regt Projekte an – von der Benennung neuer Straßen bis hin zu Ausstellungen, Rundgängen oder Publikationen. Ziel ist, Ortsidentität zu stärken und Vergangenes so zu dokumentieren, dass es für Gegenwart und Zukunft nutzbar bleibt.
Wozu braucht ein Stadtteil einen Heimatpfleger?
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Dokumentation: Fotos, Zeitzeugenberichte, Pläne und Fundstücke werden gesichert.
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Einordnung: Ereignisse werden historisch kontextualisiert – was gehörte wann wohin und warum?
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Vermittlung: Spaziergänge, Vorträge, Beiträge für lokale Medien und Webseiten.
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Beratung: Hinweise bei Denkmalfragen, Straßenbenennungen, Jubiläen, Gedenkzeichen.
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Vernetzung: Zusammenarbeit mit Schulen, Kirchengemeinden, Vereinen und Initiativen.
Beispiel Waggum: Namen erzählen Geschichte
Straßennamen sind gelebte Erinnerung. Im Baugebiet „Vor den Hörsten“ wurden 2015 zwei neue Namen festgelegt: Sommerbadring und Hermann-Deppe-Ring. Während „Sommerbadring“ unmittelbar an die örtliche Freizeit- und Badetradition erinnert, verweist „Hermann-Deppe-Ring“ auf eine Persönlichkeit, die Waggum in der Nachkriegszeit wesentlich geprägt hat – ein klassischer Fall, in dem Stadtteilheimatpflege Hintergründe zusammenträgt und verständlich macht.
Hermann Deppe – ein kurzer Überblick
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Geboren 1904 in Schapen, gestorben 19.04.1989 in Waggum.
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Beruflich Schlachtermeister, mit eigenem Betrieb in Waggum.
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Spätsommer 1945 von der britischen Besatzungsverwaltung zum ersten Bürgermeister Waggums ernannt.
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Politische Stationen: zunächst KPD, später SPD; 1956–1968 erneut Bürgermeister, danach vier Jahre Ratsmitglied – insgesamt 19 Jahre kommunal aktiv.
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Besondere Verdienste: Einsatz für Flüchtlinge, Vertriebene und Kinder, Sicherung von Räumen für Schule und Gemeindeleben, Verhinderung der geplanten Sprengung des heutigen Kulturzentrums am Fröbelweg (ehemaliges Verwaltungsgebäude einer Flugzeughalle).
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Wohn- und Siedlungsbau vorangetrieben (u. a. Lehmkamp, Fröbelweg, Flughafenblick/Siedlerweg, Eierkamp, Eichenring, Alter Stadtweg, Bereich Steinring) und den „neuen“ Friedhof an der Bienroder Straße mit auf den Weg gebracht; die Einwohnerzahl wuchs in den 1950er Jahren von rund 1.000 auf etwa 3.700.
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Ehrenbürger Waggums (Beschluss 1972; nach der Eingemeindung auch Ehrenbürger der Stadt Braunschweig).
Diese biografischen Punkte zeigen, wie konkrete Lebensleistungen in Waggums Straßenbild sichtbar bleiben – genau hier setzt Stadtteilheimatpflege an: Sie erklärt die Namen, ordnet sie ein und hält die Erinnerung wach.
Alltagsgeschichte bewahren: das Waggumer Backhaus
Geschichte entsteht nicht nur in Ratssälen. Ein schönes Beispiel für gelebte Tradition ist das Waggumer Backhaus, das nach fünfmonatiger Bauzeit am 5. Oktober 2014 eingeweiht wurde. Getragen von Kirchengemeinde, Sponsoren und vielen Ehrenamtlichen knüpft es an die jahrhundertealte Backhaus-Tradition an, die schon im 18. Jahrhundert in Quellen für Waggum belegt ist. Solche Orte verbinden Handwerk, Nachbarschaft und Erinnerung – und sind ideale Themenfelder für Stadtteilheimatpflege.
Mitmachen – so geht’s
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Erzählen Sie Ihre Geschichte: Fotos, Dokumente, Gegenstände, Anekdoten – alles kann Baustein eines größeren Ganzen sein.
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Spurensuche im Viertel: Hausinschriften, alte Wege, Gedenkorte, frühere Betriebe.
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Termine & Rundgänge: Führungen zu Straßennamen, Industriebauten, Siedlungen, Grünanlagen.
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Projekte anregen: Tafeln, Audiowalks, digitale Karten, Schulprojekte, Jubiläumsschriften.
Fazit
Ein Stadtteilheimatpfleger macht Geschichte vor Ort sichtbar – nicht nostalgisch, sondern orientierend. Er (oder sie) hilft zu verstehen, warum Orte so sind, wie sie heute sind: durch Menschen wie Hermann Deppe, durch Einrichtungen wie das Backhaus und durch viele kleine Entscheidungen, die die Entwicklung Waggums geprägt haben. Wer mitmacht, sorgt dafür, dass diese Geschichten nicht verloren gehen, sondern weitererzählt werden – im Straßenbild, in Archiven und online.









