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Braunschweig. Tausende Euro sollen Anwohner in Waggum für die Sanierung zweier Straßen zahlen. Sie warnen: Es könnte jeden Grundbesitzer treffen.

 

 
 

Es war kein schönes Geschenk, das kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr bei einigen Anwohnern in Waggum im Briefkasten lag. Stattdessen ein Schreiben, in dem die Stadt Braunschweig die Anwohner der Straßen Kirchblick und Feuerbrunnen auf die Sanierung ihrer Straßen aufmerksam machte. Verbunden mit Beträgen von teils zehntausenden Euro, die diese voraussichtlich zahlen sollten. Insgesamt 473.400 Euro betrug der Anteil der Anwohner in der ersten Kostenschätzung.

„Ich schlafe seit dem Schreiben kaum eine Nacht durch“, sagt Peter Pradella. Der Rentner fürchtet die finanziellen Folgen. Zunächst habe er 84.500 Euro zahlen sollen, nach einer genaueren Berechnung der Kosten muss er nun 56.800 Euro zahlen. „Das sind immer noch zweieinhalb Jahresrenten für uns“, sagt er. Für die gesamte Anwohnerschaft fiel der Betrag nach der Neuberechnung auf etwa 320.000 Euro, die Einzelbeträge variieren nach Grundstückgröße. Während der Arbeiten werden die Straße und ein darunter liegender Entwässerungskanal erneuert. Zwar kommt für letzteres die Stadtentwässerung auf, jedoch müssen Anwohner zusätzlich auf eigene Kosten einen Kontrollschacht für den Kanal an ihrer Grundstückgrenze errichten.

 
 
 
Das Schreiben vor Weihnachten war eine absolute Frechheit.
Joachim Maring Vorsitzender Interessensgemeinschaft für Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Braunschweig - Vorsitzender Interessensgemeinschaft für Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Braunschweig

 

Hintergrund für die Erhebung der Straßenausbaubeiträge ist das Niedersächsische Kommunalabgabegesetz. Es ermöglicht der Stadt Braunschweig, die Anwohner mit bis zu 75 Prozent der städtischen Kosten am Straßenausbau zu beteiligen. Doch viele Kommunen in Niedersachsen erheben die Beträge mittlerweile nicht mehr. Braunschweig ist die einzige Großstadt in Niedersachsen und eine von wenigen Kommunen in der Region, die noch Beiträge erhebt– im Mittel 2,2 Millionen Euro jährlich. Andere Kommunen kompensieren die finanzielle Last über den Haushalt oder finanzieren die Kosten über die Grundsteuer.

 

In Braunschweig zahlen Anwohner, in Nachbarorten die Kommune

„Die finanzielle Last auf Einzelne abzuladen, ist einfach ungerecht“, sagt Anwohner Wilfried Arnecke. „Während wir zahlen müssen, werden nebenan in Bechtsbüttel die Kosten von der Kommune getragen.“ Das Nachbardorf liegt kaum einen Kilometer Luftlinie entfernt im Landkreis Gifhorn. Immer wieder sorgte die Erhebung der Beiträge für Protest, wie vor zwei Jahren in Wenden.

Die Anwohner der Straßen Kirchblick und Feuerbrunnen haben sich deshalb zu einer Interessensgemeinschaft zusammengetan, die die Abschaffung der Beiträge fordert. Besonders sauer sind sie auch auf die Kommunikation der Stadt. „Bereits im Februar 2023 hat die Stadt veröffentlicht, dass in unseren Straßen Tiefbauarbeiten vorgesehen sind. Danach hätte man die Betroffenen über die Beiträge informieren müssen“, sagt Joachim Maring, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft. Laut Informationen der Gemeinschaft, sind bereits im September Aufträge für Arbeiten in der Straße ausgeschrieben worden – zwei Monate, bevor die Anwohner informiert wurden. „Das Schreiben vor Weihnachten war eine absolute Frechheit“, sagt Maring.

 

Das sagt die Stadt Braunschweig zur Anwohner-Kritik

Ende Januar gab es eine Informationsveranstaltung für die Anwohner. Jedoch fühlen diese sich nach wie vor schlecht informiert. „Wir wissen überhaupt nicht, was hier letztlich genau gebaut wird“, sagt Maring. Auch der Bezirksrat sei nicht informiert worden. Aus Sicht der Anwohner würde es reichen, lediglich den Asphalt über dem Entwässerungskanal zu erneuern, da für diese Kosten die Stadtentwässerung (SE-BS) aufkommen müsste. Auch die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs („Spielstraße“) hätten Anwohner gefordert.

Die Stadtverwaltung weist Kritik am Vorgehen indes zurück. Die Information der Bürger sei fristgerecht drei Monate vor Beginn der Baumaßnahme erfolgt. Es handele sich dabei um keine konkrete Zahlungsaufforderung. Da beide Straßen lediglich erneuert werden sollten und nicht baulich verändert, sei gesetzlich betrachtet keine Informierung des Bezirksrats nötig gewesen. Die Straße zeitgleich mit den Kanalarbeiten zu erneuern sei wirtschaftlich sinnvoll, da die SE-BS für die Wiederherstellung der Asphaltdecke über den Kanälen aufkommt.

 

 

Die Bauarbeiten in Waggum sind bereits im vollen Gange.

Die Bauarbeiten in Waggum sind bereits im vollen Gange. © FMG | Peter Sierigk

 

Die Straße sei zuletzt 1975 erneuert worden und wurde seither nur nach Bedarf instand gesetzt. Im Schnitt müsse eine Straße alle 30 Jahre grunderneuert werden. Den Wunsch der Umwandlung in einen verkehrsberuhigten Bereich will die Verwaltung nach Bitten des Bezirksrats in den Planungen berücksichtigen. Zwar werden dafür die Anwohner zu einem geringeren Prozentsatz (60 statt 75 Prozent) am Ausbau beteiligt. Da jedoch die damit verbundene Pflasterung teurer als eine bloße Erneuerung der Straße sei, dürften die Straßenausbaubeiträge für die Anwohner laut Stadt kaum geringer ausfallen als zuvor.

 

 

 

Waggumer wollen Protest gegen Straßenausbaubeiträge ausweiten

 

In Hinblick auf die teils hohen Summen, die Einzelpersonen zahlen müssen, verweist die Stadt auf die per Gesetz aufgezeigten Erleichterungsmöglichkeiten, für betroffene Anlieger mit der Reduzierung der Anliegerbeiträge durch die veränderte Anrechnung von Fördermöglichkeiten und der veränderten Abzahlmöglichkeiten in Raten. Allerdings fallen bei der Ratenzahlung Zinsen von 0,5 Prozent pro Monat an. Bei einer sogenannten „Verrentung“ des Betrags, die jährlich zu zahlen ist, liegt der Zinssatz aktuell bei 5,62 Prozent und verändert sich je nach Basiszinssatz des jeweiligen Jahres.

 

Die Anwohner in Waggum wollen deshalb ihren Protest auf weitere Stadtteile, wie zum Beispiel Wenden, ausweiten. „Es kann jeden Grundstücksbesitzer treffen“, sagt Joachim Grande, Sprecher der Interessensgemeinschaft. „Da die Grundsteuer sowieso neu berechnet werden soll, wäre es jetzt eine gute Gelegenheit, die Kosten auf die Grundsteuer umzulegen“, so Grande.

 

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