Stadtteilheimatpfleger
Waggum
Heinz Georg Pentsch ● Am Steinring 33 ● Tel. (0 53 07) 60 97
E-Mail: mhg.pentsch@onlinehome.de
Liebe Leserinnen, liebe Leser und Interessierte der Heimatpflege, diesmal möchte ich Ihnen schildern, wie es zum Waggumer Biotop kam.
Zum Teil stammen folgende Angaben aus der „Waggumer Chronik – Vom Bauerndorf zur Vorstadtsiedlung Braunschweig“; 1. Auflage Dezember 1995, von Heinz Menge. Außerdem habe ich wertvolle Aussagen und Unterlagen von folgenden Personen bekommen: Günther Dürkopp, Ralf Jaenicke, Olaf Giese und einigen ehrenamtlichen Biotop-Mitarbeitern.
Von der Kläranlage zum fun-Biotop
In früheren Zeiten wurde in allen ländlichen Gemeinden sowohl das vom Himmel fallende Regenwasser als auch das im Haushalt anfallende Brauchwasser in offenen Gräben beim Haus abgeleitet.
Wie eine Wegebausteuer-Mitteilung aus dem Jahre 1878 zeigt, gab es schon sehr früh herzogliche und später kommunale Verwaltungseinrichtungen, die sich um Wege (Straßen) und Gräben kümmerten.
Da man damals außer Kalk hier noch keine anderen Gesteinsbindemittel kannte, wurden die Erdvertiefungen – Löcher in Straßenflächen – nur mit Grant (Kies) ausgefüllt.
In diesem Zusammenhang ist auch die Gräbenreinigung zu sehen, die von der Feldmark-Interessentengemeinschaft wegen drohenden Seuchenaufkommens sehr streng durchgeführt wurde.
Da Waggum ein sehr natürliches Gefälle hat (Feuerbrunnen 87,2 m ü. NN zum Beberbach hin 72,0 m ü. NN), gab es in dieser Hinsicht keine Wasserablaufprobleme. Das Abwasser wurde einerseits in das Flussbett des alten Dorfgrabens, andererseits in den Graben entlang dem alten Stadtweg eingeleitet.
1885 wurden die Seitenstreifen der Straßen mit leichten Vertiefungen zu Gossen (Ablaufrinnen) ausgepflastert. Die Wegeflächen bekamen dadurch mehr Halt, und das Abwasser konnte besser abgeleitet werden.
Hatten die bäuerlichen Grundstücke schon immer Jauchegruben, in die auch das Haushaltsabwasser mit einfloss, so wurden in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts für die hiesigen neuen Ansiedler Abwassergruben im Dreikammer-Abscheidesystem verlangt. Diese Gruben wurden von Zeit zu Zeit gereinigt und der anfallende Klärschlamm als Dünger auf das Ackerland befördert. Das so vorgereinigte Wasser wurde durch die Kanalisation in die vorerwähnten Gräben weitergeleitet.
Da das Abwasser aus den Haushalten zunehmend mit Waschmittelanteilen versetzt war und die Ausweisung von weiterem Bauland in Zukunft zu erwarten ist, strebte die Gemeinde den Bau eines Abwassernetzes und einer Kläranlage nach damaligem technischen Wissenstandes an.
Entwurf der Kläranlage für 1.500 Einwohner Zeichnungsausschnitt:
Archiv Abwasserverband Braunschweig
Am 01.05.1958 hatte die Gemeinde Waggum durch das Ingenieurbüro Kubisch und König einige Entwürfe zum Bau einer Schmutzwasserkanalisation mit mechanisch-biologischer Kläranlage für 1.500 Einwohner aufstellen lassen.
Durch die zwischenzeitliche Ausweisung von weiteren Baugebieten musste der Standort der Kläranlage vergrößert und verlegt werden (für 4.000 Einwohner). Unter Berücksichtigung des bereits erwähnten Gefälles hatte man bald den richtigen Platz gefunden, nämlich am Ende des Erlenbruchs vor dem Beberbach.
Kläranlage wie sie dann letztendlich gebaut wurde.
1 Rechenanlage, 2 Betriebsgebäude/Klärwärterhaus, 3 Speicherbecken I + II
mit Belüfterrotoren, 4 Nachklärbecken, 5 Schlammpumpen, 6 Faultürme
7 Absetzteiche/Schlammbeete, 8 + 9 Klärteiche, ehem. Fischzucht Fritz Hübner.
Kartenausschnitt aus Karte 0000 Waggum II, Stadt BS, Vermessungsamt, 1989.
Am 09.8. und 19.08. 1961 kamen die erforderlichen Genehmigungen von den entsprechenden Ämtern zum Bau der Schmutzwasserkanalisation mit Kläranlage.
Den Auftrag für diese Baumaßnahme bekam die Firma Rohr aus Helmstedt.
Mit dem Bau der Kläranlage wurde am 10.05. 1965 begonnen.
Als Kläranlagenverantwortlicher wurde der Gemeindearbeiter Günther Dürkopp benannt, der schon seit 1963 bei der Kommune beschäftigt war. Die Verantwortlichkeit hatte er bis 1976 inne.
Bis zum ersten Frost, am 18.11. 1965, waren beide Belebungsgräben, der Sandfang, der Schöpfradschacht größtenteils fertiggestellt und der Senkbrunnen für das Nachklärbecken abgesenkt. Das Klärwärterhaus war im Rohbau fertig. Weitere Bauwerke waren Rechenanlage, Rundsandfang mit Rechengutzerkleinerer, Nachklärbecken, Schlammeindicker mit Faulraum und Schlammbeete.
Die Kläranlage wurde im Winter 1965/66 in Betrieb genommen. Infolge der zunächst geringen Zahl angeschlossener Einwohner (1.600 bis 1.800) wurde nur ein Belebungsgraben benutzt. Dieses änderte sich im Laufe der folgenden Jahre.
1970 wurden Überlegungen angestellt, Bevenrode an die Kläranlage in Waggum anzuschließen. Dieser Gedanke wurde aber auf Grund der anfallenden Kosten durch Um- und Erweiterungsmaßnahmen nicht weiter verfolgt.
Am 06.09. 1979 erschien in der „Braunschweiger Zeitung“ ein Artikel mit der Überschrift „Keine Regenwasserkanäle in Waggum – Im Juni standen die Hälfte der Keller unter Wasser – Anlieger verstießen gegen Vorschriften –“. Was war geschehen?
Obwohl die Gemeinde Waggum Anfang 1968 ein Infoblatt an alle Haus- und Grundstückseigentümer verteilte, mit der Aufforderung,
Kanalisation der Gemeinde Waggum, Stand 1968.
Zeichnungsausschnitt: Archiv Abwasserverband Braunschweig.
das Schmutz- und Regenwasser zu trennen und wenn dieses nicht geschehe, ein Bußgeld erhoben werde. Aber anscheinend hatten das viele Haus- und Grundstückseigentümer ignoriert. Denn am 5. und 6. Juni 1979 gingen über Waggum schwere Regenfälle hernieder und die Schmutzwasserleitungen konnten diese Wassermassen nicht entsorgen. Da das Leitungsnetz größtenteils noch nicht in Schmutz- und Regenwasser getrennt war.
In den folgenden Jahren wurden an dem getrennten Rohrleitungssystem häufig gearbeitet und so konnte sich dieses Ereignis nicht wiederholen.
Nach der Eingemeindung und durch Ausweisung weiterer Baugebiete sowie durch den Zuzug weiterer Personen in den Stadtteil Waggum wurde die Kläranlage zu klein. So reifte der Gedanke, Waggum an das Schmutz- und Regenwassernetz der Stadt Braunschweig anzubinden.
1995 bekam das Ingenieurbüro König vom Abwasserverband Braunschweig den Auftrag, auf dem Gelände der Kläranlage Waggum, ein Schmutzwasserpumpwerk zu errichten. Dazu verlegte man drei Transportleitungen Richtung Pumpwerk Wenden. Weiterhin wurde die Schmutzwasserleitung aus dem Stadtteil Waggum um die Kläranlage herum in das Schmutzwasserpumpwerk auf dem Kläranlagengelände verlegt.
Schmutzwasserpumpwerk Foto. H. G. Pentsch
Ab nun (1997) wurde das Gelände in die Hand des Naturschutzbeauftragten der Stadt Braunschweig, Herrn Dieter Barthel (1976 – 2006), gegeben. Dieser gründete 1997 mit einigen Waggumer Bürgern die „Projektgruppe Naturschutz Waggum“ (PNW), um das ehemalige Klärwerkgelände zu einem Biotop umzuwandeln. Auf Grund dieser großen Aufgabe und dem hohen Durchschnittsalter der Mitglieder schloss sich die Projektgruppe dem „Förderkreis Umwelt- und Naturschutz Hondelage e. V.“ (fun) an.
Im März/April 2004 wurde dann mit der Stadt Braunschweig ein Nutzungsvertrag über das städtische Grundstück Gemarkung Waggum, Flur 3, Flurstück 148 (ehem. Kläranlage) geschlossen.
Nach dem Tod von Herrn Barthel übernahm Herr Ewald Rentz die Leitung des PNW und gleichzeitig den 2. Vorsitz des fun.
Seit 1997 hat sich vieles auf dem Gelände der Kläranlage verändert. Es ist eine Streuobstwiese entstanden; mehrere Nistkästen für verschiedene Vogelarten gebaut und aufgehängt worden; es wurden Insektenhäuser gefertigt und auf dem Gelände verteilt; Bienenstöcke vom Hobbyimker Ewald Rentz aufgestellt und genutzt; die Faultürme wurden zur Fledermausunterkunft umgestaltet, aber von diesen noch nicht angenommen; die ehemaligen großen Klärteiche beinhalten wieder Fische und das Gelände ist auch Brutstätte für Wildenten und -gänse geworden.
Finanzielle Unterstützung kam auch zwischenzeitlich von der NDR 3-Sendung „Bingo“. Auch wird jedes Jahr ein „Tag der offenen Tür“ oder ein Sommerfest veranstaltet.
Die ehrenamtlichen Helfer/innen treffen sich jeden Mittwoch im Biotop, besprechen anfallende Tätigkeiten und führen erforderliche Arbeiten aus.
Was ist nun aus Günther Dürkopp geworden, der ja bis 1976 für die Kläranlage verantwortlich war. Herr Dürkopp wurde als Klärwerkswärter, bei der Eingemeindung von der Stadt Braunschweig übernommen, bekam ein Firmenwagen gestellt und war nun zusätzlich auch für die Klärwerke in Rautheim und Leiferde zuständig. Als die später auch aufgegeben wurden, pendelte er mit dem Auto zwischen dem Hauptpumpwerk Ölper und den Rieselfeldern hin und her, um zu kontrollieren und kleinere Reparaturen durchzuführen. Heute genießt Herr Dürkopp seinen Ruhestand.